1938 – 1945

Verboten und verfolgt

Der März 1938
Der Druck des Dritten Reiches auf Österreich war beinahe unerträglich geworden (Juli – Abkommen 1936; Berchtesgadener Abkommen 12. Februar 1938). Als letzten Ausweg beschloss Bundeskanzler Schuschnigg die Abhaltung einer Volksabstimmung über die Unabhängigkeit Österreichs am 13. März 1938. In die Mitarbeit bei der Vorbereitung für die Volksbefragung wurde auch der WCV eingebunden, wobei die Leitung bei Heinrich Drimmel (dem Schulungsreferenten der Landesleitung der VF Wien) und Cbr. Hloudscha (Rd), der das Hochschulreferat innehatte, lag Bei einer Plakatierungsaktion in der Nacht zum 11. März stießen ca. 20 Cbr.Cbr. der Austria Wien auf 60 Schläger des Bundes Oberland (die Nationalsozialisten zeigten sich seit Berchtesgaden wieder in aller Öffentlichkeit), dessen Kern die SS – Standarte 89 bildete. Die Nationalsozialisten eröffneten das Feuer, drei Austern wurden verletzt. Hitler hatte bereits den Einmarsch in Österreich beschlossen. Am Nachmittag des 11. März erreichte die damalige Bude Nordgaus (Kohlmarkt 4, I. Bezirk) der Anruf des WCV – Vorsitzenden, alle aktiven Bbr.Bbr. sollten sich zum Zwecke der Bewaffnung gegen einen drohenden NS – Putsch zum Concordiaplatz begeben. Die anwesenden Nordgauer leisteten dieser Aufforderung Folge und erhielten vorerst jeder ein Feldbett zugewiesen. Doch um 19:47 Uhr hielt Bundeskanzler Schuschnigg über Rundfunk seine berühmte Abschiedsrede, die er mit den Worten „Gott schütze Österreich“ schloss. Am 12. März überschritten deutsche Truppen die Grenze, am 14. März hielt Hitler in Wien seinen Einzug. Das Finis Austriae bedeutete auch das Ende der katholischen Verbindungen in Österreich. Die Existenz dieser Stützen des alten ständestaatlichen Systems und des Widerstandes konnten die Nationalsozialisten nicht dulden.

Nordgauer in den Tagen des Anschlusses 1938
Noch am 13. März gelang den Bbr.Bbr. Frühauf, Krotz und Handler, das Archiv Nordgaus in einer alten Selchkuchl auf der Bude zu verstecken. Die ehrwürdige Fahne aus dem Jahr 1907 schmuggelte Handler um den Leib gewickelt aus der Bude, sie überstand den Krieg unversehrt. Als Krotz und Frühauf zwei Tage später erneut die Bude besuchen wollten, endete dieser Versuch bereits mit Verhaftung und Verhör im Hotel Metropol. Der letzte Senior cand. merc. Hans Borik wurde von den Behörden zum kommissarischen Leiter eingesetzt, der die Auflösung der Vermögenswerte und der Verbindung insgesamt abzuwickeln hatte. Die Bude wurde von der SA besetzt. Eine Woche nach der Besetzung konnten zwei junge beherzte Bbr.Bbr., med. Erich Drobec und med. Friedrich Prskavec, einen unbewachten Moment nutzen, um zwei komplette Garnituren Wichsen für den Senior und den Fuchsmajor aus der Bude zu schmuggeln. Sie bildeten nach dem Krieg den Grundstock der Chargiertätigkeit. Das offizielle Ende Nordgaus kam dann am 24. April 1938 mit der letzten Liquidationssitzung in der Wohnung des Philisterseniors Dipl.Ing. Otto Schubert.

EXKURS I: CV, Christlichsoziale und Antisemitismus
Der Name Lueger ist nicht nur mit dem Aufstieg der Christlichsozialen, sonder auch mit jener Art verbal radikalem Antisemitismus, der als konfessionell bestimmter Antijudaismus in Österreich Tradition hatte. Er blieb auch nach 1918 Bestandteil des christlichsozialen Propagandainstrumentariums. Man erging sich in wüsten Beschimpfungen und setzte den Antisemitismus als Kampfmittel gegen die Sozialdemokratie ein, zu Umsetzungen derartiger Parolen in die Tat kam es aber nie. Am radikalsten in dieser Richtung war Anton Jerbazek (B! Olympia Wien), Gründer des „Antisemitenbundes“, der auch vor der Zusammenarbeit mit den Großdeutschen, deren Antisemitismus stark rassistisch bestimmt war, nicht zurückschreckte. Er agitierte gegen die Einwanderung von Juden aus dem Osten und forderte die Einführung eines Numerus clausus für jüdische Studenten. Antisemitischer Parolen bedienten sich aber auch Politiker aus den Reihen des CV, so Leopold Kunschak (Nc EM), der Führer der christlichen Arbeiterbewegung. Richard Schmitz (Nc), Unterrichtsminister und Bürgermeister von Wien im Ständestaat, trat für die Ghettoisierung der Juden ein. Aber auch ganz offiziell hieß es im Parteiprogramm der Christlichsozialen von 1926 unter Artikel VIII: „;Als national gesinnte Partei fördert die christlichsoziale Partei die Pflege deutscher Art und bekämpft die Übermacht des zersetzenden jüdischen Einflusses auf geistigem und wirtschaftlichem Gebiet.“ Ein Theoretiker des „Verhältnisses zu den Juden“ kam aus den Reihen Nordgaus. Emmerich Czermak entwickelte in seinem Buch „Ordnung der Judenfrage. Verständigung mit dem Judentum“ 1933 den Plan zur Umsiedlung europäischer Juden nach Madagaskar. Im Ständestaat stand er zusammen mit Josef Tzöbl (Am) dem 1934 gegründeten „Österreichischen Verband für volksdeutsche Auslandsarbeit“ vor, der für die Erhaltung deutschsprachiger Minderheiten im Ausland, aber auch gegen „nichtdeutsche“ Bevölkerungsanteile in Österreich agitierte. Der Rassenantisemitismus nationalsozialistischer Prägung wurde aber sowohl von der katholischen Kirche als auch den offiziellen Stellen des Ständestaats sowie dem CV stets abgelehnt. Dass er auch im Nordgau keine Wirkung entfalten konnte, zeigt unter anderem das Schicksal von Bbr. Dr. Franz Deutsch, der aufgrund seiner jüdischen Herkunft von den Nationalsozialisten ermordet wurde.

EXKURS II: CV, Korporationswesen und Nationalsozialismus: Überläufer und Zahlen
Trotz der ständigen Beschlüsse über die Unvereinbarkeit von CVertum und Nationalsozialismus fand der Hitlerismus auch in den Reihen der katholischen Verbindungen Sympathisanten. Vor allem die Kreise der „Katholisch – Nationalen“ sind hier zu nennen, die in ihrer Begeisterung für großdeutsches Gedankengut nach 1938 bereitwillig Gefolgsleute des Führers wurden. Darunter waren auch Nordgauer zu finden, etwa Univ. Prof. Hans Eibl (NdW EM, nach 1945 Ausschluß), Josef Ober (NdW, nach 1945 Ausschluß) und Dr. Karl Gottfried Hugelmann (AW, NdW EM, ging aber später in den Widerstand). Auch Prof. Taras Borodajkewycz (Nc, nach 1945 Ausschluß), der später noch traurige Berühmtheit erlangte, kam aus dieser Gruppe

In seiner Gesamtheit blieb aber der ÖCV im Vergleich zu den wehrhaften Korporationen den Werbungen der Nationalsozialisten gegenüber vor 1938 relativ immun, während nach dem Anschluß doch einige CVer ihre für das neue Regime belastende Vergangenheit durch eine NSDAP – Mitgliedschaft zu kompensieren trachteten, oder aber um des Erhalts ihrer Posten willen den Eintritt in einen der NS – Berufsverbände vollzogen Diese Entwicklung belegte der Historiker Gehler in seiner Untersuchung der Mitglieder der Innsbrucker Korporationen. Als signifikante Merkmale für besonders fanatischen Nationalsozialismus nennt er den Eintritt in die NSDAP vor 1933 bzw. in der Illegalität 1933 bis 1938 sowie die Angehörigkeit zu SA oder SS. Sein Zahlenmaterial gibt folgendes Bild für Innsbruck, wobei zu berücksichtigen ist, da zahlreiche Studenten aus dem nahen Deutschen Reich ihren Weg an den Inn fanden.

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