1914 – 1933

Die Erste Republik

Weltkrieg und Verlust der Heimat
Als sich die meisten Bbr.Bbr.in den Jahren des blutigen Völkerringens an der Front befanden, war die Aufrechterhaltung des Verbindungslebens äußerst schwierig. Zeitweise befanden sich nur zwei aktive Burschen vor Ort. Zur Aufrechterhaltung des Kontakts mit den in Waffen stehenden Mitgliedern wurden die „Nordgau – Mitteilungen“ als Rundschreiben an die Front versandt; auch sammelte man Gaben für die Soldaten.

Trotz widriger Umstände konnte im Februar 1917 der zwanzigste „Kriegsfux“ rezipiert werden; im selben Jahr wurden auf Anregung des AH Dipl.Ing. Otto Schubert die „Nordgautage“* zu Beginn des WS eingeführt, die die Verbundenheit zwischen Philisterium und Aktivitas fördern sollten. Aufgrund des beharrenden Willens seiner Mitglieder war Nordgau nach Ende des Krieges in der Lage, ab dem WS 1918 den Vorsitz im Wiener Cartellverband (WCV) zu übernehmen.

Im folgenden Jahr fand das Wüten der Nationen sein Ende. Nordgau hatte dreizehn gefallene Bbr.Bbr. zu betrauern. Schwer wogen auch die zwischen Nordgau Wien und seiner Heimat in den Sudetenländern fallenden Grenzbalken. Im Widerspruch zu den vierzehn Punkten Präsident Wilsons und trotz des Widerstandes der deutschsprachigen, dreieinhalb Millionen zählenden, Bevölkerung fielen diese Gebiete 1919 an die neue Tschechoslowakei.

Zwar fand im August 1919 wieder einer Ferialzusammenkunft in Mährisch – Schönberg statt; auf einer Landestagung in Olmütz im Jänner 1920 beriet man sich auch mit den Cbr.Cbr. anderer Verbindungen. Es wurde klar, das der Strom der sudetendeutschen Studenten nach Wien spärlicher fließen würde.

Ohne seine Wurzeln zu vergessen, mußte sich die Verbindung neue Keilböden eröffnen; in der Folge fanden Keilreisen nach Baden, Krems und Melk statt.

Nordgau in der Ersten Republik
Allmählich kehrte das Leben an den Hochschulen in seinen gewohnten Gang zurück; die Studentenzahlen stiegen bis 1921/22 durch die Kriegsheimkehrer rapide an, fielen aber danach durch die prekäre Wirtschaftslage. Zwischen Schlagenden und CVern entwickelte sich unter dem Eindruck der gemeinsamen Fronterlebnisse im ersten Weltkrieg eine Art Burgfriede, der sich auch in der gemeinsamen Tätigkeit in der als neue Vertretung der Hochschüler entstandenen „Deutschen Hochschülerschaft“ (DSt) niederschlug. Mit der immer stärkeren Unterwanderung der schlagenden Korporationen durch die Nationalsozialisten endete dieser Friede in den späten 20er und frühen 30er Jahren. Eine besondere Ehre war es für Nordgau, im WS 1920 dem Fürsterzbischof von Wien, Seiner Eminenz Kardinal Dr. Ferdinand Gustav Piffl, das Ehrenband überreichen zu können. Die Verbindung konsolidierte sich allmählich; man fasste den Plan, Tochterverbindungen zu gründen. Auf einem BC am 18. Jänner 1921 beschloss man die Schaffung der Verbindung Austro – Danubia für Hörer der Technischen Hochschule; diese wurde am 26. Mai 1921 dem CV vorgeführt und vom Vorort Austria Wien sofort als CV – Verbindung proklamiert. Noch im selben Jahr änderte die Austro – Danubia ihren Namen in Alpenland. Gründungsburschen Alpenlands waren Theodor Asten, Eduard Asten und Max Nowak. Die Verbundenheit zur alten Heimat brachte die Gründung Nordgau Prags ebenfalls 1921 zum Ausdruck; mit starker Unterstützung der Ferdinandea Prag entstand diese bald blühende Korporation in der Goldenen Stadt, der die besondere Verbundenheit der Mutter gehörte. Das Gründungsfest fand am 24. 7. 1921 in Freudenthal im Rahmen eines Katholikentages statt. Zur Hebung des Prinzips religio wählte Nordgau als erste Wiener Verbindung mit AH Pater Adolf Innerkofler v/o Wolfram einen Verbindungsseelsorger; er zeichnete sich durch sein soziales Engagement für die zahlreichen in den Zeiten der Wirtschaftskrise Not leidenden Bundesbrüder aus und hatte seine Funktion bis 1938 inne.

Das 25. Stiftungsfest im Jahr 1925
Im SS 1925 konnte Nordgau sein 25. Stiftungsfest begehen. Die Feierlichkeiten fanden vom 3. bis 8. Juni in Wien statt; sie umfassten Festvorträge und Festbummel auf der Universität, einen Umzug mit 75 Chargierten zur Votivkirche, wo Nordgaus Ehrenphilister Fürsterzbischof Kardinal Piffl zu den Klängen der G – Dur Messe von Schubert selbst die Messe zelebrierte. Dabei wurde eine von den Gattinen der AHAH gespendete Reisefahne geweiht. Er war auch beim Festkommers im großen Sophiensaal der Hofburg anwesend, dem auch der damalige Bundeskanzler Dr. Rudolf Ramek, Alter Herr Noricae, und der Rektor der Universität Wien Hofrat Dr. Sperl beiwohnten. Ein Ferialfest wurde im Sommer wieder in Freudenthal, nunmehr in der Tschechoslowakei, gemeinsam mit Nordgau Prag abgehalten.

Der CV und Nordgau in den inneren Kämpfen der Ersten Republik
In den Jahren danach verschärfte sich das innenpolitische Klima in Österreich; die Sozialdemokraten beschlossen 1926 das Linzer Programm mit dem Ziel der „Diktatur des Proletariats“, 1927 brannte der Justizpalast. In diesen schweren Jahren bildeten die Verbindungen des Cartellverbandes das hauptsächliche personelle Reservoir der Christlich – Sozialen Partei. Von 13 Staats -und Bundeskanzlern der 1. Republik waren 8 CVer; im Nationalrat machten die CVer 1919 23,2 % der christlich – sozialen Mandatare aus, 1930 gar 35 %. Nordgau stellte mit Alten Herrn Viktor Kolassa ein Mitglied des Nationalrats; 1929 wurde Alter Herr Emmerich Czermak sogar Unterrichtsminister. Im selben Jahr wurde dem Rektor der Universität Wien, Univ.Prof. Dr. Theodor Innitzer das Ehrenband Nordgaus verliehen; er bekleidete das Amt des Sozialministers im Kabinett Schober III (1929 – 1930). In den verschiedenen Wehrverbänden waren CVer in führenden Positionen zu finden. Richard Steidle (AIn; 1940 im KZ Buchenwald ermordet) gründete die Tiroler Heimwehr und war 1932 bis 1934 Stellvertretender Bundesführer. Der niederösterreichische Heimwehrführer Julius Raab trug das Band der Norica. Der Einsatz der CVer in der Heimwehr forderte auch einen Toten aus ihren Reihen: am 14. September 1931 wurde der Student Engelbert Weinzierl (NbW) von einem sozialdemokratischen Arbeitslosen erschlagen, der sich durch Weinzierls Heimwehrkappe provoziert fühlte. Neben der Heimwehr fanden auch Kurt Schuschniggs (AIn) „Ostmärkische Sturmscharen“ Mitglieder unter den CVern. Die Stellung der CVer zum politischen Lager der Sozialdemokratie war somit klar bestimmt. Mit den Großdeutschen war noch eher Verständigung möglich (der Anschlussgedanke war nach 1918 bis 1933 auch im CV stark verbreitet), die Großdeutsche Volkspartei stellte sich 1921 bis 1932 als Koalitionspartner den Christlichsozialen zur Verfügung. Die extremsten Auswüchse des deutschnationalen Denkens lehnte der CV aber von Anfang an ab: am 21. 11. 1923 (12 Tage nach dem mißglückten Putschversuch Hitlers in München) beschloss der WCV – Ausschuss die Unvereinbarkeit der Mitgliedschaft in der NSDAP mit jener in einer CV – Verbindung. Dies ist der früheste derartige Beschluss überhaupt.

Nordgau in den frühen 30er Jahren
Trotz des qualvollen inneren Kampfes in Österreich in diesen Jahren konnten der CV und Nordgau die Zahl ihrer Mitglieder vermehren. Beim 30. Stiftungsfest 1930 tauschte Nordgau die Freundschaftsbänder mit seiner Mutterverbindung Austria Wien. 1931 beging man das 10. Stiftungsfest der Tochterverbindung Nordgau Prag, die inzwischen ein blühendes Verbindungsleben unterhielt, in Troppau. 1931/1932 übernahm Nordgau wieder den Vorsitz im WCV, als WCV – x fungierte iur. Hans Papst. Höhepunkt dieser Tätigkeit bildete der WCV – Kommers anläßlich des 75jährigen Bestehens des CVs und der 25jährigen Wiederkehr der Vereinigung von CV und ÖCV. Die Festrede hielt der Vereinigungssenior AH Emmerich Czermak. 1932 verstarb der Fürsterzbischof von Wien Kardinal Friedrich Gustav Piffl, Ehrenbandträger Nordgaus. Sein Nachfolger als Erzbischof wurde überraschenderweise Dr. Theodor Innitzer, der ebenfalls die Farben Nordgaus trug. Bei seiner Inthronisation am 30. 10. 1932 chargierten Nordgauer im Stephansdom. Am 3. Februar 1933 hielt man einen Sudetendeutschen Kommers als Zeichen der Verbundenheit mit der alten Heimat ab, wobei man die Bänder mit der Tochterverbindung Alpenland tauschte. Zu diesem Zeitpunkt war Hitler bereits zum Reichskanzler ernannt worden und begann, seinen Schatten auch auf Österreich zu werden. Schon 1931 hatte der Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund (NSDStB) auf dem Grazer Studententag die Führung in der DSt übernommen, unterstützt von den wehrhaften Verbänden. Der Burgfriede zwischen Schlagenden und CV war damit beendet.

weiter mit 1933 bis 1938